Gregory Autin | August 9, 2024

In seiner Rechtsprechung beurteilt das Verfassungsgericht das Vorliegen von Willkür nach objektiven Gesichtspunkten, nicht nach den subjektiven Motiven einer Behörde.  Demnach handelt eine Behörde nicht nur dann willkürlich, wenn ihr nachweislich vorsätzliches Unrecht widerfahren ist, sondern auch dann, wenn die Entscheidung aufgrund eines wiederholten oder groben Missverständnisses der Rechtslage in krassem Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen steht oder der Behörde gravierende Verfahrensfehler unterlaufen sind.

Objektive Willkür liegt vor, wenn eine Behörde insgesamt so fehlerhaft gehandelt hat, dass dies mit Gesetzlosigkeit gleichgesetzt werden kann, oder wenn die Rechtslage in besonders krassem Ausmaß verkannt worden ist.  Der objektive Ansatz bedeutet, dass auch in Fällen, in denen sich eine Behörde um eine korrekte Rechtsanwendung bemüht hat, Willkür vorliegen kann, wenn das Ergebnis grob gleichheitswidrig ist.  Darüber hinaus hat das VfGH aus dem Gleichheitsgrundsatz ein allgemeines Sachlichkeitsgebot und ein allgemeines Willkürverbot entwickelt und damit die Auslegung selbst vom personalisierten Wortlaut des Gleichheitsgrundsatzes losgelöst. 

Der VfGH hat folgende Verfahrensmängel als so schwerwiegend angesehen, dass er die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes angenommen hat: a) wenn eine Behörde ihre Ermittlungstätigkeit überhaupt nicht oder in entscheidenden Punkten versäumt hat, b) wenn sie den Akteninhalt oder den konkreten Sachverhalt außer Acht gelassen hat, c) wenn die Rechte der Parteien verletzt werden und insbesondere das Recht auf Gehör grob verletzt wird, oder d) wenn die Beweisaufnahme einseitig durchgeführt wird.

Darüber hinaus liegt Willkür vor, wenn eine Behörde eine Entscheidung völlig unzureichend und mangelhaft begründet, z.B. in der Weise, dass eine Entscheidung mit Aussagen begründet wird, die keinen Begründungswert haben.  Insgesamt ist die Rechtsprechung des VfGH zur möglichen Verfassungswidrigkeit eines Bescheides aufgrund von schwerwiegenden Verfahrensfehlern sehr kasuistisch, was die Beurteilung erschwert, ob ein bestimmter Verfahrensmangel „nur“ die einfache Rechtswidrigkeit eines Bescheides begründet und damit nur eine Beschwerde an den VwGH zulässt oder ob er als Willkürakt zu qualifizieren ist, der in den verfassungsrechtlich geschützten Rechtsbereich hineinreicht.

Hauptquelle: Schumacher, Sebastian.  Das Prinzip des rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens.  PHAIDRA – University of Vienna.

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